Wie kam es zu BISON, wo steht das Projekt heute und wie könnte die Zukunft aussehen? Über diese und andere Fragen aus der Welt von Blockchain und Kryptowährungen haben wir uns mit Dr. Ulli Spankowski unterhalten, dem Kopf hinter der BISON App.
Dr. Ulli Spankowski ist Geschäftsführer der Sowa Labs GmbH, die BISON entwickelt hat. Aufgewachsen ist Ulli in Ulm, wo er mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaften und Business Administration begann. Weitere Stationen im Studium waren Valencia sowie Stuttgart Hohenheim. Dort hat er 2014 im Bereich Banken- und Finanzwesen promoviert. Aus einem EU-Forschungsprojekt zu Künstlicher Intelligenz mit einem slowenischen Partner entstand 2013 das Fintech-Startup Sowa Labs. Es beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie man Nutzermeinungen in sozialen Medien maschinell auswertet, um relevante Marktstimmungen zu erkennen. Aus dieser Arbeit ergab sich ein enger Kontakt zur Börse Stuttgart, die Sowa Labs Ende 2017 übernahm. Dann begann die Entwicklung von BISON.
BISON Blog: Dein erster Kontakt mit Bitcoin & Co: Wann war das und wie ist es dazu gekommen?
Ulli Spankowski:Mein Mitgründer und Geschäftsführungskollege Miha bei Sowa Labs kommt aus Slowenien. Wir hatten uns im Rahmen eines EU-Projektes kennengelernt. In Slowenien waren Kryptowährungen schon sehr früh ein viel größeres Thema als in Deutschland. Das liegt unter anderem daran, dass mit Bitstamp seit 2011 eine der größten europäischen Kryptobörsen ihren Sitz in Slowenien hat. Wir forschten ja seinerzeit an der Frage, inwieweit automatisierte Analysen von in sozialen Netzwerken geäußerten Meinungen nützlich sein können, um zukünftige Kursbewegungen zum Beispiel von Aktien zu erkennen.
Mein Partner hatte daher die Idee, diese Methode auch auf Kryptowährungen anzuwenden. Das bot sich insofern an, da es sich 2014 um ein noch recht begrenztes Untersuchungsfeld handelte. Wir haben also begonnen, alle verfügbaren Daten zum Kryptomarkt zu sammeln. Das machen wir übrigens bis heute und haben mittlerweile wohl einen der größten Datenschätze zur Analyse von Kryptowährungen in sozialen Netzwerken in Europa aufgebaut. Wovon auch die Nutzer von BISON profitieren: Der in die BISON App integrierte Cryptoradar ist ein Ergebnis dieser Arbeit.
Ende 2017 wurde Sowa Labs von der Börse Stuttgart übernommen, im Januar 2019 ist dann die BISON App gestartet. Was ist in den Monaten dazwischen passiert? War das gefühlt eher ein Sprint oder eher ein Marathonlauf?
2017 hatten wir viele Gespräche mit der Börse Stuttgart, unter anderem über die Zukunft des Handels mit Aktien, Zertifikaten oder ETFs. Das ist das Kerngeschäft der Börse Stuttgart, die dort ein sehr hochwertiges Angebot macht. Wir waren uns einig, dass dieser Markt sich in den nächsten Jahren tiefgreifend verändern wird. Das Stichwort dabei heißt Digitalisierung. Um das klarzustellen: Man muss der Börse Stuttgart nicht erklären, wie der elektronische Wertpapierhandel läuft. Der ist seit vielen Jahren Standard, und die IT-Systeme dafür sind sehr leistungsfähig. Es geht vielmehr um die Möglichkeiten, die sich aus der Blockchain-Technologie ergeben. Darauf basieren ja alle Kryptowährungen auf die eine oder andere Weise, auf jeden Fall der Bitcoin. Dank der Blockchain werden aber, da waren und sind wir uns sehr sicher, noch ganz andere Anwendungen kommen. Ich meine die Tokenisierung, also die digitale Abbildung von bisher schwer darstellbaren und handelbaren Werten. Über digitale Token würde es möglich, diese kleinteilig zu handeln. Ein anschauliches, aber eher unrealistisches Szenario ist das der digitalen Aufteilung eines Kunstwerkes. Bisher war es nicht vorstellbar, dieses in Teilen zu verkaufen. Der Besitzer eines Picasso könnte nun 1000 Token mit einem entsprechend hinterlegten Vertrag ausgeben und diese verkaufen. Sicher, daraus ergeben sich viele Fragen und die Zukunftsmusik spielt dazu, aber die Tokenisierung von vielfältigen Vermögenswerten wird kommen.
War die BISON App also der erste Schritt in diese Richtung, um das Thema konkret anzugehen?
Es ist doch so: Blockchain ist kompliziert, Bitcoin ist kompliziert, Kryptohandelsplätze sind kompliziert. Vieles ist letztlich ungeeignet für den Massenmarkt, eher eine Spielwiese für Nerds. Das ist nicht abschätzig gemeint, daraus ist ja auch etwas Großes entstanden. Mit BISON wollen wir es den Nutzern allerdings so einfach wie möglich machen, sich am Kryptomarkt zu beteiligen. All das Komplizierte, die Technik, die rechtlichen Fragen, verstecken wir hinter den einfachen Bedienoberflächen der BISON App. Das Set-up ist da, man kann sich darauf verlassen, aber man sieht es nicht. Man muss es nicht bis ins Letzte verstehen, um mit Kryptowährungen zu handeln. Wir versuchen immer alles so einfach wie möglich zu machen und orientieren uns so nah wie möglich an den Wünschen und Bedürfnissen der Nutzer.
Um darauf zurückzukommen: Solche Softwareprojekte sind ja nicht ohne Fallstricke – Sprint oder Marathon?
Es war ohne Zweifel beides. Wie gesagt, Ende 2017 waren wir uns mit der Börse Stuttgart einig, BISON umzusetzen. Mit den Mitarbeiter*innen von Sowa Labs verfügten wir über ein schlagkräftiges Team und deshalb ging es auch sofort los. Bereits Anfang April hatten wir das Design fertig und ein technisches Konzept. Das umzusetzen wäre theoretisch bis Herbst möglich gewesen. Das war der Sprint-Teil. Der Marathon-Teil war die Sache mit den Verträgen, mit den rechtlichen Fragen. Wir haben ja teilweise Neuland betreten und da muss alles gründlich aufgesetzt werden. Man darf nicht vergessen, dass wir uns in einem regulierten Umfeld befinden und mit Finanzdienstleistungsinstituten arbeiten. Diese haben viel höhere regulatorische Anforderungen als beispielsweise ein unregulierter Kryptohandelsplatz in Osteuropa, China etc. Daher hat auf dieser Seite alles etwas länger gedauert und wir konnten erst im Januar 2019 starten. Dafür können die Nutzer davon ausgehen, dass bei BISON alles seine Ordnung hat.
Stichwort Ordnung: Was ist deiner Meinung nach von den Versuchen der Gesetzgeber in Deutschland oder auch der EU zu halten, den Kryptomarkt Regeln zu unterwerfen? Sind die Regularien sinnvoll?
Die Regularien, die die Staaten erlassen haben, um den Kryptomarkt zu ordnen, sind absolut gut und richtig. Nur mit verlässlichen rechtlichen Leitplanken kann man im Massenmarkt Vertrauen in Bitcoin & Co. herstellen. Ich halte aus der Perspektive für ein Massenprodukt wenig von den staatskritischen Ansichten, die in Teilen der Krypto-Community immer wieder geäußert werden. BISON kann nur davon profitieren, dass klare Regeln im Kryptomarkt gelten. Diese wurden übrigens, das muss man auch mal festhalten, im Wesentlichen zum Schutz der Nutzer und ihrer Geldanlagen erlassen. Und dass die Staaten versuchen, das Geldwäscheproblem in den Griff zu kriegen, kann uns allen auch nur nutzen.
Wir sind noch ganz weit weg von dem, wo wir hinwollen. Wir denken über Kryptowährungen hinaus.
Dr. Ulli Spankowski, CEO von Sowa Labs
Nun ist BISON aktuell eine App, mit der man vier Kryptowährungen gegen Euro kaufen und verkaufen kann. Interessierte Bürger mit 72 Nationalitäten können die App herunterladen, wenn sie ihren Hauptwohnsitz im Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben. Wie geht es weiter? Was ist deine Vision von BISON?
Um ein anschauliches Bild zu gebrauchen: BISON liegt aktuell in der Version 1.4.3 vor. Wir sind also noch ganz weit weg von dem, wo wir hinwollen. Wir denken jedenfalls über Kryptowährungen hinaus, so viel kann man sagen. Die Blockchain-Technologie steht ja noch ganz am Anfang. Es ist denkbar, dass man irgendwann noch viel mehr auf BISON handeln kann als nur Kryptowährungen. Aber es wird ganz sicher eine Konstante geben: BISON wird immer einfach bleiben.
Wird man mit der BISON App irgendwann im Supermarkt bezahlen können?
Man soll niemals nie sagen, aber ich bin etwas skeptisch, was Kryptowährungen als alltägliches Zahlungsmittel betrifft. Dafür wäre eine gewisse Wertstabilität unabdingbar, die aber im Moment nicht vorhanden ist. Das dürfte auf absehbare Zeit auch so bleiben. Es wird tendenziell wenige geben, die sich mit einer Währung bezahlen lassen, die eine Stunde später 10 oder 20 % weniger wert ist. Ebenso wird niemand mit einer Währung bezahlen, die morgen 10 oder 20 % mehr wert sein kann. Und das ist auch nichts Neues: Niemand geht mit einem Stück Gold in die Bäckerei, um eine Brezel zu kaufen, wobei ich mir das mit Kryptowährungen sogar eher vorstellen kann als mit Gold.
Im September 2019 hat die Gruppe Börse Stuttgart mit der Börse Stuttgart Digital Exchange (BSDEX) einen zweiten Kryptohandelsplatz eröffnet. Wie grenzen sich die beiden Angebote ab?
Zunächst sollten wir festhalten: BISON ist kein Kryptohandelsplatz. BISON ist ein Broker, ein Vermittler, der seinen Kunden eine Möglichkeit bietet, mit Bitcoin zu handeln, und außerdem deren Kryptowährungen treuhänderisch verwahrt. Handelspartner der Nutzer ist dabei immer der Finanzdienstleister EUWAX AG, ein Tochterunternehmen der Börse Stuttgart. BISON macht die Kryptowelt einfach, im Handel und mit Informationen zum Markt.
Die BSDEX hingegen richtet sich vor allem an versierte und erfahrene Anleger. Dazu zählen auch Trader, die täglich aktiv sind und von kleineren Kurschwankungen profitieren möchten. Ihnen bietet der Handelsplatz ein transparentes Umfeld und die nötigen Werkzeuge, damit sie sich voll auf ihre Anlagestrategien konzentrieren können. Zum einen sind da die Chartanalyse-Tools zu nennen, zum anderen komplexere Ordertypen wie Stopp-Orders. An der BSDEX gibt es ein offenes Orderbuch und multilateralen Handel, bei dem die Orders der Anleger direkt gegeneinander ausgeführt werden.
BISON und die BSDEX sind also zwei Angebote für unterschiedliche Anlegerbedürfnisse. Dabei lassen sich beide durchaus gut kombinieren und natürlich von unserer Seite noch enger verzahnen, etwa über einen Single-Login. Da liegt noch viel Arbeit vor uns und wir sind auch dran, dies zusammenzuführen.
Apropos Arbeit: Gibt es einen Vorfall aus den letzten Monaten, der dich am meisten amüsiert hat?
Wir bei BISON haben immer viel Spaß. Den Vogel hat allerdings ein Nutzer abgeschossen, der eines Tages bei uns vor der Tür stand, um sich für die App verifizieren zu lassen. Da waren wir doch baff. Wir haben ihm dann eine Tour durch unser Büro gegeben, aber die Verifizierung musste er dennoch über BISON machen.
Foto oben: Dr. Ulli Spankowski im Mai 2020, im Corona-Style 😉