Erste Anfänge bis zur Geburt des Bitcoin
Gemäß der Erkenntnis, dass man die Gegenwart oft nur versteht, wenn man deren Geschichte kennt, wollen wir hier im BISON Blog in einer kleinen Artikelserie die Geschichte von Bitcoin & Co in vier Teilen erzählen.
Inzwischen existieren viele tausend Kryptowährungen und der Marktwert all dieser Coins riss jüngst die Zwei-Billionen-Dollar-Marke. Notenbanken beschäftigen sich mit dem Thema, die Öffentlichkeit diskutiert Vor- und Nachteile und aktuelle Kursbewegungen sind Teil der Nachrichtenwirtschaft geworden. All dies sind unzweifelhafte Nachweise, dass die Bedeutung der Kryptowährungen inzwischen viel größer ist, als es deren Schöpfer sich das vor etwa 15 Jahren vermutlich jemals erträumt haben. Aber wie kam es eigentlich zu dieser technologischen Innovation, wer waren die Menschen hinter dem Projekt, was war deren Motivation und wie ist all das entstanden?
Im ersten Teil geht es um die Anfänge der Kryptografie, die ersten Digitalwährungen, den Aufbau dezentraler Netzwerke und die Entstehung des Bitcoin.
1976: Urknall der kryptografischen Methoden
Der Urknall der Kryptografie und somit die Grundlage zur Entstehung von Kryptowährungen liegt etwa 45 Jahre zurück. 1976 publizierte das amerikanische National Bureau of Standards and Technology den Algorithmus „Data Encryption Standard“ (DES). Dieser wurde gemeinsam von dem IT-Unternehmen IBM und der bundesstaatlichen US-Behörde NSA entwickelt. DES ermöglichte Personen und Unternehmen über verschlüsselte Nachrichten zu kommunizieren. Die US-Regierung war somit die erste Regierung, die einen Krypto-Algorithmus veröffentlichte.
1990er: Cypherpunks und Digitalwährungen
Daten, die nicht verschlüsselt sind, stehen in der digitalen Welt offen zur Verfügung, können missbraucht, kontrolliert oder sogar manipuliert werden. Anfang der 1990er Jahre entstand eine Bewegung, die sich gegen eine mögliche „Massenüberwachung“ im Internet wandte. Diese sogenannten Cypherpunks standen für die Privatsphäre durch Kryptografie ein. Eine zentrale Motivation, allgemein zugängliche kryptografische Verfahren zu entwickeln, war ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Integrität staatlichen oder auch privaten Institutionen. Eric Hughes, ein zentrales Sprachrohr der Aktivisten, betonte in einem Manifest der Cypherpunks: „Wir können nicht erwarten, dass uns die Regierungen, Unternehmen und andere (…) freiwillig Privatheit gewähren. (…) Wir, die Cypherpunks, widmen uns dem Aufbau anonymer Systeme. Wir verteidigen unsere Privatheit durch Kryptografie (…).“ (Bergmann, C., S. 46) Eine weitere Idee der Cypherpunks, um mehr Privatsphäre und Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen zu erreichen, bestand in der Entwicklung von digitalen, dezentralen Zahlungsmitteln.
Ein Vordenker, der die Idee von Digitalwährungen entschieden vorantrieb, war der Kryptograf David Chaum. Er gründete in den späten 1980er Jahren DigiCash und entwickelte mit diesem Unternehmen das erste digitale Geld: eCash startete am 26. Mai 1994. Trotz Pilotversuchen mit Microsoft, Visa, der Deutschen Bank oder Mastercard, ging DigiCash 1998 pleite. Offenbar scheiterte das Unternehmen an der mangelnden Fähigkeit als Pionier Führungsstärke zu beweisen und an der verhaltenen Akzeptanz von digitalem Bargeld im Handel. Weitere Projekte anderer genialer Köpfe scheiterten ebenfalls. Dazu zählen beispielsweise E-Gold, Digital Monetary Trust oder das Bitcoin-ähnliche b-money von Wei Dai. Allerdings verfolgten all diese Projekte noch das Prinzip einer zentralen Instanz, über welche die Transaktionen abgewickelt wurden. Dieser Ansatz sollte sich als Sackgasse erweisen und wurde durch das Prinzip der Dezentralität abgelöst.
Jahrtausendwende: Dezentrale Strukturen
Im Jahr 1999 bot Napster MP3-Musikdateien kostenlos auf seiner Plattform an und revolutionierte damit die bisher von physikalischen Tonträgern dominierte Musikindustrie. Zunächst wurde dieses kostenfreie Angebot von staatlichen Stellen auf Grund der damit verbundenen Urheberrechtsverletzungen unterbunden. Allerdings bildeten sich dezentrale Strukturen von Filesharing-Plattformen, um sich gegen die als überzogene Eingriffe in die persönliche Freiheit empfundenen Verbote zu wehren. Dezentrales Filesharing bedeutet, dass Dateien nicht auf einem zentralen Rechner oder Server zum Download bereitgestellt werden, der leicht ausgeschaltet werden kann. Vielmehr werden viele Rechner zu einem sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerk (P2P) verbunden. Hierbei dient jeder Rechner des Netzwerks als Speicher- und Download-Rechner.
- Vorteil #1: Nicht jeder „Knoten“ muss alle im Netzwerk vorhandenen Daten vorhalten, allerdings stehen dem Nutzer des Netzwerks alle zur Verfügung.
- Vorteil #2: Wird ein Knoten vom Netzwerk abgeschnitten, funktioniert das Filesharing trotzdem.
Alle Bemühungen staatlicher Stellen, dem nach wie vor illegalen Austausch von Musikdateien Einhalt zu gebieten, geriet daher schnell zum vergeblichen Kampf gegen Windmühlenflügel – wurden ein paar Knoten des weltweiten Netzwerks abgeschaltet, entstanden an anderer Stelle einfach neue. Die Macht dezentraler Netzwerke war bewiesen.
2008: Satoshi Nakamoto und Bitcoin
Die Geschichte des Bitcoin ist eng mit der Person eines gewissen Satoshi Nakamoto verbunden, von dem allerdings bis heute niemand zweifelsfrei weiß, um wen oder wie viele Personen es sich dabei handelt. Satoshi Nakamoto adaptierte Wei Dais grundlegende Idee von b-money, erkannte die Vorteile von P2P-Netzwerken und entwickelte unter Verwendung kryptografischer Verfahren ein eigenes, angriffssicheres System für eine Digitalwährung. Da es mit der Blockchain keine zentrale Autorität mehr gab, wurde sein Netzwerk resistenter gegenüber Cyberattacken. Seine Digitalwährung taufte er Bitcoin und am 18. August 2008 registrierte er die Domain bitcoin.org.
Am 01. November 2008 schickte Nakamoto eine Nachricht an den E-Mail-Verteiler der Cypherpunks – darin enthalten: ein Whitepaper, in dem die grundlegenden Ideen einer sicheren, dezentralen, digitalen Währung beschrieben wurden. Das Konzept überzeugte zunächst nur wenige Anhänger der Bewegung. Unter den Interessenten waren Ray Dillinger und Hal Finney, die in der nun folgenden Erfolgsgeschichte der Kryptowährungen eine tragende Rolle spielen sollten.
Dillinger beschäftigte sich bereits seit den 1990ern mit digitalem Bargeld. Im November 2008 prüfte er Ausschnitte des Source Code des Bitcoin, zweifelte aber am Erfolg der Kryptowährung.
2009: Bitcoin wird geboren
03. Januar 2009 – das ist das Datum, an dem die ersten Bitcoin von Erfinder Satoshi Nakamoto geschürft wurden. Mit dem sogenannten Genesis Block wurden die ersten 50 Bitcoin erzeugt. Der Code des Blocks enthält einen legendären Hinweis zum Times-Artikel zur Bankenkrise: „The Times 03/Jan/2009 Chancellor on brink of second bailout for banks.“
Rund eine Woche später, am 09. Januar, veröffentlichte Nakamoto die Version der Bitcoin-Software „Bitcoin 0.1“ als Open-Source-Lizenz. Das bedeutet, jeder kann den Code des Bitcoin sehen, downloaden und verwenden.
Nakamoto selbst legte das Maximum der jemals erzeugten Bitcoin auf 21 Millionen fest und beschäftigte sich noch bis 2010 mit der Kryptowährung. Seitdem hat man in der Öffentlichkeit nichts mehr von ihm gehört.
Am 12. Januar fand die erste Transaktion auf der Blockchain statt. In Block 170 werden 50 BTC an das Wallet 1PSSGeFHDnKNxiEyF… gesendet. Dieses soll Entwickler Hal Finney gehören. 1 US-Dollar entsprach im Oktober 2009 1.309,03 Bitcoin. 1
Damit war das digitale Geld auf Basis einer dezentralen Blockchain und unter Verwendung seit Jahrzehnten bekannter Verschlüsselungsverfahren geboren. Noch ahnte niemand, welche Ausmaße der Bitcoin im Laufe der Zeit annehmen würde…
Quellen:
- Hauptquelle: Bergmann, C. (2019). Bitcoin. Die verrückte Geschichte vom Aufstieg eines neuen Geldes. 2. Auflage. Neu-Ulm/Nersingen: MOBY Verlagshütte.
- 1 Kroker, M. (2019). Die Geschichte von Bitcoin vom Start im Oktober 2008 bis zu den Kursturbolenzen Ende 2019. Online unter: https://blog.wiwo.de/look-at-it/2019/12/19/die-geschichte-von-bitcoin-vom-start-im-oktober-2008-bis-zu-den-kursturbulenzen-ende-2019/ (zuletzt abgerufen am 23.06.21).
- 2 metzdowd (o. D.). Bitcoin P2P e-cash paper. Online unter: https://www.metzdowd.com/pipermail/cryptography/2008-October/014810.html (zuletzt abgerufen am 23.06.21).
- 3 Scheider, D. (2020). 5 versteckte Nachrichten auf der Bitcoin Blockchain. Online unter: https://www.btc-echo.de/news/5-versteckte-nachrichten-auf-der-bitcoin-blockchain-92081/ (zuletzt aufgerufen am 23.06.21).
Christoph Bergmann
Der Wirtschaftsjournalist und Historiker Christoph Bergmann zählt zu Deutschlands führenden Krypto-Experten. Bereits seit 2013 fasziniert ihn die Welt von Bitcoin, Ethereum und Co. Seine Arbeit wurde bis dato mit mehreren Awards ausgezeichnet.